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25 June 2010

Thiefa-Welthershafft

http://um3000.twoday.net/stories/6393887/

THIEFA-WELTHERRSCHAFFT: SPLITTER 2

Nicht komisch. Gar nicht komisch. Das FIFA-Notstandregime, dass in einem Land errichtet wird, dass die Ausrichtung der Fussball-WM übernommen hat, ist eine ernste Angelegenheit. Speziell, wenn es ein Land mit grosser Armut im Griff hat. In Europa erfährt man zumeist nur von skurrilen Auswüchse des Blatter-Regimes – etwa, wenn holländische Supporter wegen des Tragens von Shirts vor einem Gericht angeklagt werden.

In Südafrika hingegen verlieren viele Menschen wegen der Weltmeisterschaft ihre ganze Existenz. Wenn ihnen die Arbeit genommen wird, weil Strassenhändler nicht mehr an ihren angestammten Standorten verkaufen dürfen, oder wenn sie ihre Hütten verlieren, die deshalb abgerissen werden, weil ihr Anblick die Fussballfans aus aller Welt hätte stören können. „FIFA“ wird deshalb in den Townships und in den informellen Siedlungen Südafrikas schon längst „THIEFA“ buchstabiert.

Es gibt vielfältigen Widerstand gegen die fortgesetzte Ausgrenzung der Armen am Kap. Die Enttäuschung über die ausgebliebenen Verbesserungen der Lebensumstände für die Mehrheit der Bevölkerung hat längst dazu geführt, dass die ANC-Regierung auf zunehmenden Widerstand trifft, und schon lange reagiert die Regierung auf diesen Widerstand mit Repression, Verhaftung und Gewalt bis hin zum Totschlag. Während des „THIEFA“-Regimes bei der WM sind Demonstrationen und Proteste ganz verboten – einer der Gründe für die gewaltsame Niederschlagung des Ordnerstreiks am Spielort der deutschen Mannschaft, in Durban, während der ersten WM-Woche.

Trotz einer fast vierundzwanzigstündigen Berichterstattung aus und über Südafrika erfährt man in Deutschland zu den Lebensbedingungen der armen Südafrikaner und zu ihrem Widerstand gegen die neoliberale Politik ihrer Regierung aus den Medien fast nichts. Bestenfalls einige Elends-Schnappschüsse – von den TV-Anstalten gerne „real poverty-shots“ genannt – finden sich zwischen bunten Klischees, postkolonialen Reiseberichten einer ehemaligen Schwimmerin und den regelmässigen „inneren Reichsparteitagen“ der dämlichen Moderatoren im Studio.

Trotz einer ausnahmsweise vorhandenen Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit für das Leben in Afrika, bleibt das Wissen darum gewollt rudimentär – schliesslich ist auch die deutsche Regierung daran interessiert, dass südafrikanisches Geld lieber in deutsche Rüstungsindustrie und an deutsche Baukonzerne vergeben wird, als an die Menschen in den Hüttendörfern.

Das Wuppertaler Aktionsbündnis für das “Recht auf Stadt für alle” basta! möchte diese Desinformation mit einer Veranstaltung am Freitag, den 25. Juni durchkreuzen. Gemeinsam mit anderen Gruppen hat basta! zwei Basis-Aktivisten des südafrikanischen Widerstands dazu eingeladen, auf dem Schusterplatz in Wuppertal-Elberfeld von ihrem Kampf für ein „Recht auf Stadt“ in Südafrika zu berichten, und um mit Wuppertalern zu diskutieren.

ABAHLALI baseMjondolo (AbM) aus Durban entstand 2005 in der informellen Siedlung „Kennedy Road“ – zunächst als Selbstverwaltung der Hüttenbewohner, mit der diese in den bestehenden lokalen demokratischen Strukturen Durbans auf die Einlösung der Versprechen hinarbeiten wollten, die ihnen vom ANC nach dem Ende der Apartheit einmal gemacht worden waren. Dabei handelte es sich um ein Recht auf Land, ein Recht auf feste Häuser, ein Recht auf Energie- und Wasserversorgung und auf würdige Arbeit. Im Laufe der Jahre scheiterte ABAHLALI jedoch immer wieder an Lügen, Intrigen und an der Korruption lokaler ANC-Funktionäre. Landschieber und Konzerne, die die mittlerweile privatisierte Strom- und Wasserversorgung übernommen hatten, sabotierten immer wieder die auf demokratischem Weg erreichten Fortschritte.

Aus einer ursprünglich partizipativen Selbstverwaltung wurde so zunehmend eine Radikal-Opposition, die sich ebenso zunehmender Verfolgung ausgesetzt sah. EIn Höhepunkt der Repression war im Herbst 2009 der Überfall gedungener Schläger auf die Siedlung „Kennedy Road“, bei dem Hütten verwüstet wurden. Als im Verteidigungskampf um ihre Siedlung zwei Menschen starben, erreichte die staatliche Repression gegen ABAHLALI eine neue Qualität. Viele führende Aktivisten wurden verhaftet, andere mussten nach Morddrohungen fliehen. Der örtliche ANC übernahm die selbstverwaltete Siedlung. Der zeitgleich vor dem südafrikanischen Verfassungsgericht errungene, bemerkenswerte juristische Sieg gegen ein „Slumgesetz“ der Zuma-Regierung, mit dem eine erneute Kriminalisierung der informellen Siedlungen verhindert werden konnte, verblasste vor dem Hintergrund der mit dem Überfall einhergehenden Kriminalisierung von ABAHLALI baseMjondolo. Solidaritätsadressen von Bischöfen und Kirche, von Amnesty International und vielen bekannten Persönlichkeiten konnten bis heute an der Verhärtung der Auseinandersetzung nichts ändern. Die ANC-Regierung scheint entschlossen, ABAHLALI, mittlerweile eine der grössten Widestandsbewegungen des Landes, zu zerschlagen.

Die beiden ABAHLALI-Aktivisten Zodwa Nsibande und Richard Pithouse befinden sich auf Einladung von INURA („International Network of Urban Research and Action“, Zürich) und von Misereor während der WM auf Europatour. Zodwa Nsibande aus der Siedlung „Kennedy Road“ ist eine gewählte Vertreterin von ABAHLALI, der unabhängige Aktivist Richard Pithouse arbeitet an der Rhodes University als Politikwissenschaftler. In dieser Funktion kritisiert Richard Pithouse den ANC sowie die Privatisierungspolitik der Regierung gegen die Masse der südafrikanischen Bevölkerung.

Am Freitag veranstaltet basta! zusammen mit der Initiative „Vierte Woche“ zunächst ein gemeinsames öffentliches Kochen und Essen auf dem Ölberg. (Ab ca. 16 Uhr) Danach werden die beiden aus Südafrika berichten. (Beginn ca. 18.30 Uhr)

Viel mehr Informationen zu ABAHLALI und zur Veranstaltung am Freitag finden sich auf der basta!-Homepage: www.basta-wuppertal.de/2010/06/friede-den-huetten

Dort gibt es auch Videos und weiterführende Links – und wer sich damit eine Weile beschäftigt, ahnt, dass es viel mehr als eine Geste ist, sich für das, was Zodwa und Richard berichten, zu interessieren. Wie hiess das noch? „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker!“