Akrisse: Es wird Blut fließen

http://akkrise.wordpress.com/2013/10/01/es-wird-blut-fliesen/

Richard Pithouse, 24.9.2013

Es wird Blut fließen

Am Samstag Morgen (21.9.2013) wurde Nkosinathi Mngomezulu in den Bauch geschossen. Er wurde bei der Marikana-Landbesetzung bei Stop 1, Cato Crest in Durban während einer Räumung angeschossen. Zur Zeit befindet er sich in der Intensivstation des King Edward-Spitals. Seine Genoss_innen befürchten, dass er im Spital überfallen werden könnte. Es wurde ihnen nicht gestattet, ihre eigenen Aufpasser dort zu postieren, aber sie haben dafür gesorgt, dass er während der Besuchszeiten immer von einer großen Gruppe Besucher_innen umgeben ist.

Mngomezulu’s Genoss_innen sind nicht paranoid. Er wurde mit dem Tod bedroht für den Fall, dass er nach seiner Genesung zur Besetzung zurück kehrt. Am 26. Juni wurde Nkululeko Gwala, der wie Mngomezulu Mitglied von Abahlali baseMjondolo ist, in Cato Crest ermordet. Nur drei Monate davor war ein weiterer Aktivist, Thembinkosi Qumbelo, unter ähnlichen Umständen umgebracht worden.

Und ein Spital ist nicht unbedingt ein sicherer Ort für jemand, der in Durban dem ANC in die Quere kommt. Am 30. Juni letzten Jahres wurde Bhekimuzi Ndlovu in der Barackensiedlung Zakheleni angeschossen, nachdem es eine Reihe von Protesten gegen den lokalen Stadtrat und für Land und Wohnraum gegeben hatte. Die Bewegung der Arbeitslosen (Unemployed People’s Movement) berichtete, dass er am nächsten Tag im Spital Besuch von einer Delegation des lokalen ANC erhalten habe. Sie sagten, sie wollten für ihn beten. Kurz nachdem sie wieder gegangen waren, erkrankte er schwer. Der behandelnde Arzt diagnostizierte eine Vergiftung.

Im post-Apartheid-Durban ist Mord Teil des Repertoires zur politischen Abgrenzung, seit Michael Makhabane im Mai 2000 am Uni-Campus von einem Polizisten aus nächster Nähe in die Brust geschossen wurde. Spätestens seit April 2006 kommt es zu politisch motivierten Morden, ausgeführt von im Verborgenen arbeitenden Meuchelmördern, damals wurden zwei ehemalige Aktvist_innen der Südafrikanischen Kommunistischen Partei in Umlazi umgebracht, nachdem sie einen unabhängigen Kandidaten unterstützt hatten, der bei den Lokalwahlen gegen den ANC angetreten war. Und die Mobilisierung bewaffneter ANC-Anhänger_innen gegen Menschen, die sich außerhalb der Partei organisieren, wurde de facto spätestens im September 2009 von der Polizei und höheren Politiker_innen in der Stadt und der Provinz abgesegnet, als Abahlali baseMjondolo in der Barackensiedlung Kennedy Road in Clare Estate angegriffen wurde.

De Angriff auf Abahlali baseMjondolo 2009 war auch der Moment, in dem der lokale ANC, darunter auch obere Ränge in der Gemeindeverwaltung wie Nigel Gumede, offen mit einer ethnisierenden Sprache aufzutreten begann, um die Ausschließung und Gewalt zu rechtfertigen. Abahlali baseMjondolo, eine ethnisch gemischte Organisation, wurde absichtlich falsch als eine Mpondo-Organisation dargestellt, und es wurde klargemacht, dass diese falsche Darstellung sie illegitimieren sollte. In ähnlicher Weise wurden Behauptungen über ethnische Zugehörigkeiten vorgebracht, als im März 2010 Menschen aus der Barackensiedlung kwaShembe in Clermont vertrieben wurden, und bei der Repression, die der Organisierung im Unemployed People’s Movement in der Siedlung Zakheleni in Umlazi letzten Jahres folgte.

Jetzt sind Todesdrohungen ein Routinemittel des politischen Diskurses in Durban. Sie sind nicht nur Teil des Arsenals der zunehmend schwer bewaffnet auftretenden Bezirksräte und ihrer Komitees. Im September 2007 wurde berichtet, dass der mit der Politik verbandelte Geschäftsmann Ricky Govender, ein Mann, der oft als Gangster beschrieben wird, damit gedroht habe, einen Journalisten des Mercury umbringen zu lassen. Davor war bekannt geworden, dass er gedroht hatte, die lokale Aktivistin von Abahlali baseMjondolo, Shamitha Naidoo, umbringen zu lassen. Nigel Gumede, der Vorsitzende der Wohnungskommission in der Gemeindeverwaltung eThekwini, hat niemals bestritten, dass er S’bu Zikode von Abahlali baseMjondolo bei einem Treffen im Rathaus im Oktober 2011 bedroht hat. Bei einer Vielzahl von Vorfällen haben ANC-Mitglieder, die in Bussen zum Gericht gekarrt worden waren, offen Todesdrohungen gegen unabhängig organisierte Aktvist_innen ausgestoßen.

Zeug_innen sagen, dass Mngomezulu von einem Vorgesetzten der Land Invasion Unit angeschossen worden ist. Die Polizei behauptet, dass er angeschossen wurde, nachdem er ein Mitglied der Einheit mit einem Messer verletzt habe. Die Zeug_innen wiederum streiten das vehement ab. Die Polizei von Durban war aber bei der Darstellung ihrer eigenen Gewaltexzesse und von Gewalt gegen Menschen, die sich außerhalb des ANC organisieren, ständig unaufrichtig, so dass nichts, was sie sagt, ohne glaubwürdige Beweise ernst genommen werden sollte. Aber selbst wenn Mngomezulu Widerstand gegen die Land Invasion Unit geleistet haben sollte, wäre er damit im Recht gewesen. Wir alle haben das Recht – so steht es im Gesetz – unsere Häuser gegen illegale Angriffe zu verteidigen.

Das Land bei Stop 1 in Cato Crest wurde im März diesen Jahres besetzt, und die Besetzung wurde Marikana genannt, nachdem eine große Menge Leute obdachlos gemacht worden waren, als ihre Baracken zerstört wurden, um Platz für die Wohnraumentwicklung zu schaffen. Wie es seit Jahren typischerweise läuft, wurden die Bewohner_innen im Stich gelassen, wenn sie kein Schmiergeld zahlen konnten, um an ein Haus zu kommen, oder wenn sie nicht die entsprechenden Beziehungen zu den lokalen Parteistrukturen unterhielten. In diesem Fall wurde die Räumung der Bewohner_innen von einem öffentlich geäußerten ethnischen Tonfall begleitet, wobei Politiker_innen vom lokalen Stadtrat Nigel Gumede bis zum Bürgermeister, James Nxumalo, offen einen Diskurs darüber inszenierten, in dem die Leute von Eastern Cape als ausländische Eindringlinge in Durban präsentiert wurden.

Einige der Menschen, die Anfang des Jahres illegal zu Obdachlosen gemacht wurden, lebten seit 1995 in dieser Gegend. Sie hatten ihre Arbeit hier, ihre Kinder gingen in die örtlichen Schulen, und Durban war der Ort, an dem sie ihr Leben gestalteten. Der lokale ANC forderte sie auf, ‘heim nach Lusikisiki’ zu gehen. Sie beschlossen aber, lieber ein angrenzendes Stück Land zu besetzen. Ihre Baracken wurden achtmal zerstört, oft unter Anwendung von Gewalt, und jedesmal bauten sie sie wieder auf. Fünfmal gingen sie zum Obersten Gerichtshof und forderten gerichtliche Unterstützung gegen diese offensichtlich rechtswidrigen Räumungen. Die Gemeinde hat dreist alle Zusicherungen, die sie vor dem Gericht abgegeben hat, gebrochen, ebenso wie drei Gerichtsbeschlüsse.

Menschen, die versuchten, ihre Häuser zu verteidigen, wurden geschlagen und mit Gummigeschossen angegriffen. Als sie auf die Straße gingen, wurden sie verhaftet und auf der lokalen Polizeistation geschlagen. Als das Gericht die Anwält_innen beider Seiten aufforderte, sich am Dienstag voriger Woche bei der Marikana-Landbesetzung einzufinden, um festzustellen, welche Baracken von seinen Beschlüssen geschützt sind, mobilisierte lokale Stadtrat seine örtliche ANC-Mitglieder, um diesen Prozess zu stören. Einschüchterungen, darunter Todesdrohungen, machten es schließlich unmöglich, die vom Gericht angeordnete Verhandlung vor Ort durchzuführen.

In diesem Drama geht es nicht einfach darum, dass der Staat Gewalt ausübt, um das Duopol 1 bei der Bereitstellung von Land, das er sich mit dem Markt teilt, aufrecht zu erhalten. Es geht auch darum, die Interessen der herrschenden Partei zu schützen. Parteianhänger_innen haben in derselben Gegend ebenfalls Baracken errichtet, ohne jegliche Konsequenzen. Es handelt sich um politisch motivierte Räumungen. Und Politik wird offen über Ethnizismus vermittelt. Mpondo werden so dargestellt, als hätten sie kein Recht, in dieser Stadt zu leben, und die Zulu unter ihnen werden als Verräter_innen gebrandmarkt. S’bu Zikode von Abahlali baseMjondolo ist zu dem Schluss gekommen: “Für die selbstgefälligen Politiker_innen im Rathaus und für ihre Gangster, die uns in den Baracken jagen, bist du kein richtiges menschliches Wesen, wenn du nicht Zulu bist, und wenn du Zulu bist, und mit Mpondo lebst und dich mit ihnen organisierst, dann bist du kein echter Zulu.”

Für Zikode sind die Behauptungen des Durbaner ANC, demokratisch zu sein, ein Schwindel: “Das Rathaus ist rot von Blut.” Aber am Montag letzter Woche brachte Abahlali baseMjondolo seine eigene Welle von roten T-Shirts, die in einem eindrucksvollen Zug zum Rathaus marschierten. Die Bewegung hat in Cato Crest 1.560 Mitglieder, die einen guten Ruf genießen, und ihre Mitglieder aus der ganzen Stadt versammeln sich auf der Marikana-Landbesetzung, kochen gemeinsam und bauen nach jeder Zerstörung die Baracken wieder auf.

Der zunehmend gewalttätige und räuberische Staat von Zuma hat seine stärkste städtische Basis in Durban. Aber trotz der Autorität, die der ANC in dieser Stadt ausübt, übt er diese nicht mit bürgerlicher Selbstsicherheit aus. Im Gegenteil, das Ausmaß und die Intensität politischer Gewalt hier übertrifft bei weitem die in jeder anderen Großstadt. Das Gesetz bleibt ein wichtiges Kampfterrain in Durban, aber weder das Gesetz noch die Verfassung bieten irgendeine Garantie. Der lokale Staat und die lokale Partei sind beide gewillt, jede abweichende Meinung gewaltsam zu zerschlagen, auch völlig rechtmäßige abweichende Meinung. Das Schweigen höherer Ränge hat dazu gedient, diese Gewalt zu legitimieren. Trotzdem wurde genau hier in Durban der ausdauerndste öffentliche Widerstand gegen die Brutalität und die Korruption, von denen der ANC blockiert wird, organisiert. Es gab dabei bemerkenswerte Vorschläge, Zähigkeit und Courage von unten. Die Zukunft ist noch unklar, aber es scheint, dass Blut fließen wird.

Richard Pithouse trägt an der Rhodes University (Grahamstown) Politikwissenschaft vor.

Anmerkungen

1 Als Duopol wird eine Marktform bezeichnet, bei der einer Vielzahl an Nachfragen nur zwei Anbieter gegenüberstehen, es ist eine Spezialform des Oligopols.