2 June 2008
Statement von Abahlali baseMjondolo
http://de.indymedia.org/2008/05/218067.shtml
Statement von Abahlali baseMjondolo
Unyawo Alunampumulo
Den Menschen, die am schlechtesten dran sind, gilt unsere gesamte Aufmerksamkeit in unseren Kämpfen. Im Gegensatz zu einer Handlung kann ein Mensch nicht illegal sein.
Wir verurteilen die Angriffe, Vergewaltigungen und Morde die sich in Johannesburg gegenüber Menschen aus anderen Ländern ereignet haben. Wir werden alles daran setzen, dass sich diese Ereignisse nicht in KwaZulu-Natal wiederholen werden. Seit Jahren warnen wir davor, dass sich der Frust der Armen in viele Richtungen entladen kann. Diese Warnungen blieben ungehört, genau wie die Klagen über die Lebensbedingungen, denen wir unterworfen sind, über die Ratten, und die Feuer, die fehlenden Toiletten, die menschlichen Müllhalden, die Umsetzungszonen genannt werden, die neuen Lager, die sie Übergangsorte nennen und die korrupte, brutale und rassistische Polizei.
Wir wollen eines klar stellen. Weder Armut noch Unterdrückung kann als Rechtfertigung dafür herhalten, dass ein Mensch zum Feind des anderen wird. Wenn ein armer Mann seine Frau schlägt, wenn eine arme Familie gegen ihre Nachbarn vorgeht, dann muss ihnen entgegengetreten und sie müssen zur Verantwortung gezogen werden.
Aber die Gründe, warum die Ereignisse im Armenviertel Alexandra und nicht im nahe gelegenen Reichenviertel Sandton passiert sind, sind in der Armut zu suchen. Die Menschen in Alex leiden und sehen ihrer Zukunft voller Angst entgegen. Sie leben unter einer Dauerbelastung, die einen Menschen zerstören kann. Die Angreifer müssen zur Verantwortung gezogen werden. Doch diejenigen, die die Armen auf diesen kleinen Flecken Erde zusammenpferchen, die das Leben dort mit Räumungen und Vertreibungen bedrohen, die die Armen wir Kriminelle behandeln, die sie ausbeuten, ihre Kämpfe unterdrücken, die Nahrungsmittelpreise erhöhen, die zu wenige und zu kleine Häuser bauen lassen, deren Verteilung über Korruption bewerkstelligt wird, diejenigen müssen ebenso zur Verantwortung gezogen werden.
Und es müssen weitere Wahrheiten an das Licht der Öffentlichkeit gelangen. Die Flüchtlinge und Migranten werden von den Ausländerbehörden/Department of Home Affairs unmenschlich behandelt. Die Mitglieder unserer Bewegung, die in anderen Ländern geboren sind, berichten von langen Wartezeiten, von respektlosem Umgang, Willkür und Korruption, wenn sie zu den Behörden gehen müssen. Sie berichten von Polizisten, die geschmiert werden wollen, ihre Papiere zerreißen, ihr Geld stehlen und sie in das Abschiebelager Lindela schicken, ein Ort der noch schlimmer ist, als die Übergangslager, die wir kennen. Wir haben erlebt, dass sogar Südafrikaner nach Lindela gebracht werden, wenn sie als „zu dunkel“ wahrgenommen werden oder weil sie aus dem Norden des Landes, z.B. aus Giyani kommen und das Wort Ellenbogen nicht auf isiZulu kennen.
Die Politik und die Polizei reden in einer Weise über die „illegalen Immigranten“, als seien es alle Kriminelle. Wir wissen um die Bedeutung solcher Begriffe aus unserer eignen Erfahrung. Auch über uns wird geredet, als seien wir Kriminelle, obwohl wir am stärksten von der Kriminalität betroffen sind, da wir uns keine Wachmänner und Sicherheitstore leisten können.
Ebenso müssen wir uns die Rolle der südafrikanische Regierung und der südafrikanischen Unternehmen verdeutlichen. Wir müssen über NEPAD und die Aktivitäten der südafrikanischen Konzerne wie Anglo-American in Kongo reden. Und was unserer Regierung bezüglich Simbabwe macht. Die Verantwortlichen in diesen Bereichen müssen zur Verantwortung gezogen werden.
Wir sind uns darüber bewusst, dass die Südafrikaner, die vor der Apartheid geflohen sind, in Sambia und Simbabwe und sogar weit weg gelegenen Ländern wie England mit offenen Armen empfangen wurden. Einige aus unserer Bewegung waren selber im Exil. Wir müssen diejenigen, die jetzt vor Verfolgung fliehen ebenso offen empfangen. Wir müssen dieser Aufgabe zusätzlich nachkommen, weil unsere Regierung und die großen Konzerne an der Unterdrückung in anderen Ländern einen Anteil haben.
Einige Leute sagen, dass die Zuwanderer amagundane, Abschaum seien. Mit Abschaum wollen wir nichts zu tun haben, aber bildet Euch nicht ein, dass Menschen aus Südafrika nicht ebenso Abschaum sein können.
Einige Leute sagen, dass die Zuwanderer aufgrund dessen, dass sie für sehr wenig Geld arbeiteten, für die allgemeinen Lohnsenkungen verantwortlich sind. Doch wir alle wissen, dass verzweifelte und hoffnungslose Menschen überall jeden Job annehmen. Lasst uns für starke Gewerkschaften kämpfen, die alle, auch die informellen Bereiche abdecken.
Einige Leute sagen, dass die Zuwanderer sich in Konflikten feige zeigen würden und stattdessen vor der Polizei wegliefen. Steht auf gegen die Feigheit, aber belügt Euch nicht und glaubt, dass Leute aus Südafrika sich nicht ebenso feige verhalten würden. Bildet Euch nicht ein, dass es das selbe sei, für Leute die hier geboren sind oder die nicht hier geboren sind, sich mit der rassistischen, korrupten und brutalen Polizei anzulegen. Lasst uns für einen sicheren Aufenthaltsstatus, für Papiere für unsere Nachbarn kämpfen, so dass wir uns alle für die Rechte der Armen in gleicher Weise einsetzen können.
Einige Leute sagen, dass die Menschen aus anderen Ländern ihre Häuser bekommen, weil sie die Behörden schmieren. Steht auf gegen die Korruption, aber bildet Euch nicht, dass Südafrikaner ihre Häuser nicht auch von korrupten Stadträten und Beamten in den Wohnungsbehörden kaufen. Kämpf gegen die Korruption!
Einige Leute sagen, dass die Menschen aus anderen Ländern erfolgreicher in Liebesbeziehungen sind, weil sie ihr Geld nicht an die Familie auf dem Land zurückschicken müssen. Lasst uns aufstehen gegen eine Armut, die sogar schon die Liebe erdrosselt. Lasst uns für ein Leben kämpfen, in dem das Geld keine Rolle mehr spielt, in dem wir für ein Grundeinkommen für alle streiten.
Einige Leute sagen, dass es zu viele Straßenhändler gibt, und dass diejenigen von außerhalb gehen sollen. Wir sollten uns fragen, warum so wenige Konzerne, so viele Geschäfte besitzen können und warum die Polizei die Straßenhändler schikaniert, ihre Dinge klaut und die Straßenhändler aus den Innenstädten vertrieben werden. Den armen Mann der auf der Straße Haare schneidet und die arme Frau die Früchte verkauft, können nicht wir als unseren Feind ansehen.
Unser ums Überleben kämpfender Nachbar, darf von uns nicht zum Feind gemacht werden. Don’t turn your suffering neighbours into enemies.
Wenn wir diese Entwicklung nicht stoppen, wird aus einem Krieg gegen die Mozambiquaner, ein Krieg gegen alle amaShangaan. Aus einem Krieg gegen die Simbabwer, wird ein Krieg gegen die amaShona und später ein Krieg gegen die amaVenda (südafrikanische Sprachgruppe, deren Sprache dem Shona sehr ähnlich ist). Dann werden Menschen fragen, warum Leute die einen amaXhosa-Hintergrund haben, sich in Durban befinden, genauso, wie Chinesen oder Pakistanis. Was wird mit einer Gegend wie Clare Estate passieren, in der amaXhosa, amaMpondo, amaZulu, und abeSuthu leben, Leute mit indischem oder afrikanischen Hinterrund, Muslime, Hindus, Christen, die in Südafrika, Mozambique, Simbabwe, Malawi, Pakistan, Namibia, Kongo und Indien geboren sind.
Wir werden die nächsten Tage nutzen, um sicherzustellen, dass die Angriffe nicht weitergehen. Wir werden mit Straßenhändler- und Flüchtlingsorganisationen, mit vertrauenswürdigen Polizisten und mit unseren befreundeten Organisationen und Bündnispartnern an einem Ende der Gewalt arbeiten.
Nun hören wir die politischen Kommentatoren und Forscher sagen, dass die Armen über die Xenophobie aufgeklärt werden sollen. Die Lösung lautet immer „educate the poor“. Wenn wir Cholera kriegen, dann erklären sie uns, dass wir unsere Hände waschen sollen, statt uns sauberes Wasser zu geben. Wenn unsere Baracken abbrennen, erklärt man uns die Gefahr von offenem Feuer, statt die Stromversorgung zu verbessern. Es ist eine Form, die Armen selber für ihre Probleme verantwortlich zu machen. Wir wollen Häuser und Boden in den Städten, wir wollen zur Universität gehen können, wir wollen Wasser und Strom. Wir wollen nicht dazu erzogen werden, wie wir unsere Armut besser ertragen können. Die Lösung kann nicht darin liegen, uns zu erklären, was Xenophobie bedeutet. Die Lösung muss darin liegen, den Armen, das zu geben, was sie zum Leben brauchen, dann fällt es uns auch leichter selbstlos und großherzig zu sein. Die Xenophobie muss allen Ebenen der Gesellschaft bekämpft werden. Nehmt den Armen fest, der jemanden umgebracht hat! Aber nehmt auch den korrupten Polizisten und den korrupten Beamten in der Ausländerbehörde fest. Schließt das Abschiebelager in Lindela und entschuldigt Euch für das mit ihm verbundene Leiden. Wir fordern, dass die Menschen, die jetzt in den Polizeistationen in Johannesburg festsitzen, Aufenthaltspapiere erhalten.
In diesen schrecklichen Momenten brauchen wir eine aktive, gelebte Solidarität. Es ist Zeit, dass jede Familie und jede Community einen Flüchtling aufnimmt. Wir können die Leute nicht in den Polizeistationen lassen, wo zu befürchten ist, dass sie abgeschoben werden. Die Leitungen der Kirchen, der Gewerkschaften und der Parteien müssen sich zu den Menschen aus anderen Ländern begeben, solange die Gefahr noch anhält.
Wir richten die folgenden Forderungen an die südafrikanische Regierung:
• Sofortige Schließung des Abschiebelagers Lindela und die Freilassung der dort Inhaftierten!
• Die Ausgabe von Aufenthaltspapieren an alle, die in den Polizeistationen Unterschlupf erhalten haben.
• Sofortiger Stopp des Ausverkaufs von städtischem Bauland, solange nicht alle Menschen eine Wohnung erhalten haben.
• Ein sofortiges Ende aller Räumungen und Vertreibungen
• Kein weiterer Bau von Golfplätzen, solange nicht alle Menschen eine Wohnung haben
• Unterstützung der Menschen in Simbabwe, statt ihrer unterdrückerischen Regierung
• Die Verhaftung aller korrupten Beamten in den Innen- und Ausländerbehörden
• Ein Treffen von Flüchtlingsorganisationen, der Polizei und den Innen- und Ausländerbehörden um gemeinsam zu überlegen, welche Schritte unternommen werden können, damit die Behörden allen Menschen dienen, die in Südafrika leben
Abahlali baseMjondolo, 21. Mai 2008