18 December 2013
Unser Kampf um die Befreiung vom Elend der Slums geht weiter
Unser Kampf um die Befreiung vom Elend der Slums geht weiter
Mitglieder unserer Bewegung der Hüttenbewohner_innen sind Misshandlung und Mord ausgesetzt. Aber wir werden nicht zulassen, dass unsere Städte zu Geldautomaten für die Reichen werden.
von S‘bu Zikode, Ehrenpräsident der Bewegung der Hüttenbewohner_innen, Abahlali baseMjondolo, Durban, Südafrika
Unsere Bewegung der Hütten-Bewohner_innen , Abahlali baseMjondolo (ABM), wurde 2005 in Durban gegründet und hat heute mehr als 12.000 Mitglieder in mehr als 60 Hüttensiedlungen[1]. Wir organisieren Kampagnen gegen Zwangsräumungen und für öffentlichen Wohnungsbau. Wir kämpfen für eine Welt, in der die menschliche Würde wichtiger ist als privater Profit und in der Land, Städte, Wohlstand und Macht gerecht geteilt werden.
Wenn wir als Abahlali-Mitglieder unseren Platz in unseren Städten einnehmen, dann tun wir das in aller Bescheidenheit, aber mit Nachdruck. Wir haben vor Gericht viele wichtige Schlachten gewonnen, einschließlich der Abwehr des Slum-Gesetzes[2] von Kwa-Zulu-Natal. Aber trotz unseres juristischen Sieges wurden tausende Hüttenbewohner_innen gewaltsam vertrieben, um Platz zu schaffen für die Bauprojekte bei der Fußball WM 2010. Die meisten der Räumungsopfer wurden in Transit-Camps[3] gepfercht, wo sie, fernab von allen urbanen Dienstleistungen, verrotten sollen. Einige dieser Lager – z.B. Isipingo südlich von Durban – wurden in Überflutungsgebieten gebaut.
Er gab Versprechungen, diese Leute über ein staatlich unterstütztes Wohnungsbauprogramm mit Wohnungen zu versorgen. Aber die Städte haben sich geweigert. Stattdessen profitieren korrupte Politiker_innen. Mit den Fördermitteln begünstigen sie loyale Mitglieder des regierenden ANC und erhalten Gegenleistungen von den beauftragten Bauunternehmen. In der Folge werden die Häuser miserabel gebaut und nur gegen Schmiergelder vergeben.
Deshalb machen wir weiter mit unseren direkten Aktionen, um unsere Rechte vom Papier in die Wirklichkeit zu übertragen.
Wenn uns Grundstücke zum Wohnen verweigert werden, dann besetzen wir ungenutztes Land. Der Staat und die Reichen bezeichnen dies als Straftat. Wir aber nennen es Demokratisierung der Stadtplanung. Für uns ist es die Verwirklichung des Rechts auf die Stadt.
Wenn sie unsere Hütten räumen, dann bauen wir sie wieder auf. Bei der Marikana[4]-Landbesetzung in Cato Crest, Durban, haben wir unsere Hütten bereits neun Mal wieder aufgebaut.
Wenn sie uns Wasser und Strom verweigern, dann schließen wir uns selbst an die Versorgungsnetze an. Wenn sie die Verbindungen kappen, dann stellen wir sie wieder her. Vor kurzem wurden neun Menschen während einer Versorgungssperre in Reservoir Hills in der Stadt Durban, angeschossen. Zwei von ihnen, Malizo Fakaza and Nhlanhla Mkhize, wurden getötet.
Wenn unsere legalen Demonstrationen, unsere Gerichtsbeschlüsse, unsere Verfassung[5] ignoriert werden, wenn wir wie der letzte Dreck behandelt werden, der vor dem Gesetz nichts gilt, dann engagieren wir uns in der Politik der Störungen. Wir organisieren Straßenblockaden in der Stadt. Vor kurzem haben wir acht solcher Blockaden an einem einzigen Morgen organisiert.
Es ist eine heftige Zeit für unsere Bewegung. Die Reichen und der Staat haben sich zusammen getan, um uns aus der Stadt zu jagen. Unsere Mitgliedschaft ist multiethnisch, aber es gibt viele Xhosa-sprachige Zuwander_innen aus der Eastern Cape-Provinz unter uns. Immer mehr stellt der ANC in Durban und KwaZulu-Natal diese Nicht-Zulus als Außenseiter dar, die doch dahin zurückkehren sollen, wo sie her kommen. Auf diese Weise wird die Idee, dass Südafrika allen gehört, durch eine gefährliche Politik der Spaltung ersetzt.
Der Staat fühlt sich so sehr bedroht von den Armen, besonders von den organisierten, den starken Armen, dass er die Rechtsstaatlichkeit aufgehoben hat. Eine Politik des Blutvergießens hat die Politik des Friedens abgelöst. Die Polizei wurde militarisiert, und auch die Stadtverwaltungen haben militarisierte Einheiten geschaffen, um Landbesetzungen zu verhindern. Wir wurden geräumt, von ANC-Schlägern aus unseren Häusern vertrieben, von der Polizei geschlagen, misshandelt und beschossen.
Nqobile Nzuza, eine 17jährige Schülerin, wurde am 30. September 2013 durch einen Schuss in den Hinterkopf getötet. Zeugen versichern, dass sie von einem höheren Polizeibeamten erschossen wurde. Aber niemand wurde festgenommen. Nkululeko Gwala starb, nachdem er am 25. Juni durch zwölf Kugeln verletzt worden war. Thembinkosi Qumbelo wurde am 15. März niedergeschossen. Zu all diesen Morden kam es in einer einzigen Community, in Cato Crest.
Wir glauben, dass diese Morde politisch waren. Führende Politiker aus dem Stadtrat von Durban und aus der Legislative von KwaZulu-Natal haben auf eine Weise gehandelt und geredet, die von vielen als Unterstützung der Morde verstanden wurde. Es gibt eine sehr hohe Arbeitslosigkeit in Durban und keinen Mangel an jungen Leuten, die bereit sind, blutiges Geld einzustecken.
Der letzte Manase-Bericht[6] legte die massive politische Korruption in der Verwaltung offen. Aber auch diesmal wurde niemand festgenommen.
Vieles steht auf dem Spiel. Wenn die Armen in den südafrikanischen Städten diese Schlacht nicht gewinnen, dann werden unsere Städte zu Geldautomaten für die Politiker und die Reichen. Sie werden zu Städten aus Befestigungsmauern und Gewehren, aus Blut und Angst. In Durban und darüber hinaus ist Nelson Mandelas Vision bereits verloren gegangen. Sein Versprechen eines allgemeinen Rechts auf freien Zugang zu Wohnraum, Bildung und Gesundheitsversorgung wurde nicht verwirklicht.
Wir haben gelernt: Wenn wir menschenwürdige Wohnungsverhältnisse fordern, machen wir uns Feinde. Wenn wir Land besetzen, werden unsere Feinde noch skrupelloser. Aber wir können nicht ewig im Schlamm, in der Scheiße, in abbrennenden Hütten[7] hocken und abwarten. Wahlen haben uns nicht geholfen. Die politischen Parteien haben für uns nichts getan. Auch die Zivilgesellschaft hat uns nichts gebracht. Wir haben keine andere Chance, als unseren eigenen Platz in den Städten und dem politischen Leben des Landes einzunehmen.
Übersetzung: Knut Unger, MieterInnenverein Witten/Habitat Netz
[1] Informelle selbstgebaute Siedlungen, im herrschenden Jargon meist „Slums“ oder „Shanty Towns“ genannt.
[2] Im Jahr 2007 erließ die Provinzregierung von KwaZulu-Natal mit dem “Elimination and Prevention of Re-emergence of Slums Act” ein Verordnung, mit der Behörden und Privateigentümer zu Zwangsräumungen von „Slums“ gezwungen werden konnten, ohne dass sich die Bewohner_innen dadgegen rechtlich wehren konnten. Dagegen richtete sich eine Protestkampagne von AbM, die auch von linken Intellektuellen unterstützt wurde. Sie gipfelte 2009 in einem juristischen Sieg vor dem Verfassungsgericht.
[3] Es handelt sich um lagerartige Unterbringungsformen in Behelfsunterkünften ohne Infrastruktur. Berüchtigt sind die aus Containern errichteten „Zinkhütten-Siedlungen“.
[4] Abahlali benannte diese Landbesetzung nach dem Ort des Massakers an den Minenarbeitern, dem im Jahr 2012 34 Menschen zum Opfer fielen.
[5] Die südafrikanische Verfassung garantiert ein Recht auf angemessene Wohnungen. Zwangsräumungen sind nur auf Grundlage eines Gerichtsbeschlusses erlaubt.
[6] Ein lange Zeit unter Verschluss gehaltener, ausführlicher Bericht zur Korruption des ANC in KwaZulu-Natal: https://afriforum.co.za/Manase-Report-13-Feb-12.pdf
[7] Immer wieder brennen Hütten ab, weil das Baumaterial leicht entflammbar ist und die nicht elektrifizierten Hütten mit Kerzenlicht beleuchtet werden.