15 November 2009
Welt: Stilist auf Substanzsuche
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Stilist auf Substanzsuche
Von Christian Putsch 14. November 2009, 04:00 Uhr
Südafrikas Präsident Zuma überrascht im ersten Halbjahr seiner Amtszeit positiv – Doch der wahre Test wird die WM
Johannesburg – Messbar ist die Popularität von Jacob Zuma nun auch am Postschalter. Das Konterfei des südafrikanischen Präsidenten ist seit ein paar Tagen als Briefmarke erhältlich. 2,25 Rand teuer, umgerechnet rund 20 Cent. Zwei Millionen Marken werden nun gedruckt, nicht einmal sein Amtsvorgänger Nelson Mandela war auf eine so hohe Auflage gekommen. Doch Zuma schafft es, dass nicht einmal der Vergleich mit Südafrikas Ikone als anmaßend wahrgenommen wird. In Form der Marken, sagte er lächelnd, reise er nun als “kleinster, aber lebendiger Botschafter” durch die Welt. Überhaupt wird der 67-Jährige diese Woche als erfolgreich in Erinnerung behalten. Am Dienstag wurde Zuma als “Afrikas Präsident des Jahres” geehrt. Die Auszeichnung der Kenneth-Kaunda-Stiftung und der Organisation African Consciousness Media gilt als begehrt.
Zumas Stärke war immer die Wahl passender Worte und Mimik, das bewies er auch bei der Zeremonie: “Bei diesem Preis geht es um die kollektiven Bemühungen der Menschen Afrikas, ein besseres Leben aufzubauen.” Wenigen gelingt es, so viel Wärme in die Stimme zu legen, wie dem einstigen politischen Gefangenen, der auf Robben Island den Gefängnischor organisierte. Meist tritt er in edlen Anzügen auf, manchmal aber auch im gemütlichen Pullover: Zuma verkörpert gleichzeitig die Präsenz eines Staatsmannes und die Vertrautheit eines Großvaters.
Dabei basiert sein Erfolg in vielen Feldern noch immer mehr auf diplomatischem Geschick als auf substanziellen Erfolgen. So war es vom ersten Tag an: Sein Kabinett beschwichtigte ausländische Investoren, die zufrieden die Vergabe von Ministerposten an anerkannte Politiker aus der Führungsriege sei-nes neoliberalen Vorgängers Thabo Mbeki registrierte. Auch seine Unterstützer der einflussreichen Gewerkschaften sowie der kommunistischen Partei SACP bekamen Ministerposten, erstaunlich gerecht aufgeteilt nach ethnischer Abstammung, Provinzen und Geschlecht. Die für diesen Spagat beachtliche Zahl von 35 Ministerien geriet in den Hintergrund.
Zuma hält noch immer dem Druck des linken Parteiflügels stand, der ihn ins Amt gehoben hat, und an einer konservativen Fiskalpolitik und freier Marktwirtschaft fest – Inflationsrate und Neuverschuldung will er niedrig halten. Bislang ist das Ergebnis allerdings nicht sehr überzeugend: Von den 500 000 neuen Jobs, die Zuma für dieses Jahr versprochen hatte, ist keine Rede mehr – im Gegenteil: Südafrika hat durch die welt-weite Wirtschaftskrise seit Januar 470 000 Arbeitsplätze verloren, im Haushalt fehlen knapp sieben Milliarden Euro. Damit ist Südafrika zwar noch glimpflich davongekommen, aber selbst bei positiver ökonomischer Entwicklung wird eine Erholung Jahre dauern.
Der Kampf gegen das enorme Kriminalitätsproblem zeigt keinen ausreichenden Erfolg, und Führungskrisen in Staatsunternehmen werfen kein gutes Licht auf Südafrika. Beispiel Eskom: Der umstrittene Energiekonzern fürchtet angesichts der ohnehin gewaltigen Stromprobleme des Landes Engpässe während der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 – und hat große Firmen gebeten, im kommenden Juni und Juli möglichst wenig Energie zu verbrauchen.
Entsprechend wächst der Druck auf Zuma, der seine Termine aber weiterhin mit einer Mischung aus Verbindlichkeit, Herzlichkeit und Gelassenheit absolviert. Hinter ihm steht ein ausgezeichnetes PR-Team, das es schafft, die Aufmerksamkeit von diesen über Jahre entstandenen, schwer zu lösenden Problemen abzulenken – hin zu jenen symbolischen Gesten, die Südafrikas Politik seit seiner Transformation zur Demokratie im Jahr 1994 prägen. So schaute Zuma einmal unangekündigt im Büro eines Bürgermeisters vorbei, in dessen Gebiet es Proteste wegen mangelhafter Strom- und Wasserversorgung gegeben hatte. Der Mann war nicht da, Zuma ließ ihn zu Hause abholen. “Jeder, auch ich, muss den Menschen gegenüber verantwortlich sein, denen sie dienen”, sagte er.
Über solche Ereignisse wird in Südafrika erst einmal mehr gesprochen als über das eigentliche Problem. Im Juli traf sich Zuma mit Lehrern, um die Schwächen des Schulsystems zu diskutieren – Experten halten 80 Prozent der Schulen für “nicht funktionierend”. Die Pädagogen gingen begeistert nach Hause und berichteten von seiner Bodenständigkeit – Zuma telefoniert mit einem völlig veralteten Handy. Viele ihrer Kollegen leh-ren aber weiterhin mit veralteten Schulbüchern.
Kürzlich holte der Präsident die erfolgreiche Rugby-Nationalmannschaft persönlich vom Flughafen ab und umgarnte im grünen Jackett des “Springbok-Teams” die überwiegend weißen Fans. Schon Mandela hatte ein “Springbok”-Hemd getragen, als Südafrika 1995 im eigenen Land Rugby-Weltmeister wurde. Zuma hat sich dem Zusammenwachsen der Ethnien verpflichtet – und kann oder will die Endlosschleife rassistischer Kommentare von Julius Malema, dem ehrgeizigen Chef der ANC-Jugendorganisation, trotzdem nicht verhindern.
Im Ausland war Zuma bis zum April vor allem durch Korruptionsermittlungen gegen ihn bekannt. Die wurden eingestellt, er hat sich international profiliert – und zwar positiv. Das Land übt in diesem Jahr mehr Druck auf Unrechtsregime wie in Nordkorea, Birma oder Simbabwe aus, unterstützte die Anklage des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir.
Doch in Südafrika sind die eigenen Probleme zu groß, als dass Außenpolitik sie überdecken könnte. Viele wenden sich von der Politik der Regierungspartei ANC enttäuscht ab. Aus der Parteibasis gingen neben der Oppositionspartei Cope Bürgerinitiativen hervor wie das Antiprivatisierungsforum oder die Bewegung der Slumbewohner, Abahlali base Mjondolo. Unter ihrer Führung wurden die Aufstän-de in einigen Townships zuletzt immer aggressiver. Hier versagt auch Zumas Lächeln: Mit warmer Stimme hatte er zur Geduld aufgerufen. Erfolglos.