Medienfreiheit und Verteidigung der Demokratie

http://akkrise.wordpress.com/2010/10/22/medienfreiheit-und-verteidigung-der-demokratie/

Wir brauchen eine eine richtige demokratische Verteidigung der Demokratie

Demokratie ist … die Aktion, die der oligarchischen Regierung ständig das Monopol auf das öffentliche Leben entreisst. (Jacques Rancière, Hatred of Democracy, 2006)

Nun, da der ANC eine eindeutige Aussage zu seiner Absicht, die Medienfreiheit im Namen des Volkes zurückzudrängen, gemacht hat, wieselt die Zivilgesellschaft herum wie ein unruhiger Ameisenhaufen.

Aber während die blogs-Schreiber, KolumnistInnen und die an Debatten in den höheren Ebenen der öffentlichen Sphäre Beteiligten demonstrieren, um ihre Freiheiten zu verteidigen, sollten wir uns daran erinnern, dass sie – abgesehen von wichtigen Ausnahmen – wenig Interesse an der alltäglichen Feindschaft des ANC gegenüber verschiedenen Versuchen, eine unabhängige Politik der Armen zu entwickeln, gezeigt haben, die systematisch gesetzwidrig, oft gewalttätig und manchmal mörderisch waren.

Ebenso verhält es sich – wiederum mit wichtigen Ausnahmen – bei den Massenmedien selbst. Spätestens seit 2004 waren GraswurzelaktivistInnen oft Ziel der selben Form von barbarischem Auftreten einschüchternder staatlicher Maßnahmen, wie Mzilikazi wa Afrika unlängst, ohne dass das Gros der Presse oder der Zivilgesellschaft diesen Skandal aufgegriffen hat.

Die Tatsache, dass liberale demokratische Prinzipien seit 1994 in unseren Statuten und seit 1996 in unserer Verfassung verankert wurden, bedeutet nicht, dass wir alle auf wundersame Weise DemokratInnen geworden sind in dem Augenblick, da Nelson Mandela seinen Amtseid geschworen hat. Die Diskussion in den mainstream-Medien neigt dazu anzunehmen, dass die neue Ordnung perfekt ist, sogar großartig demokratisch, und sie konzentriert sich auf antidemokratische Verhaltensweisen, die verschiedene soziale Kräfte aus ihrer Vergangenheit in diese neue Arena mitgebracht haben. Beispielsweise hat der ANC Mitte der 90er Jahre oft auf den Rassismus verwiesen, der zu dieser Zeit sicherlich Teil der Presse war. Liberale haben oft auf die stalinistischen und autoritären Züge innerhalb des ANC selbst verwiesen.

Aber die neue Ordnung war nicht eine Verwirklichung der höchsten demokratischen Ansprüche des Kampfes oder eine Institutionalisierung der besten demokratischen Praktiken, die im Kampf entwickelt wurden.

Seit den 70er Jahren wurden schwarze Gewerkschaften wichtige Orte für Experimente mit direkter Demokratie und seit Mitte der 80er galt dasselbe für viele Teile der United Democratic Front. Aber der Eintrittspreis in die neue Ordnung war, wie es in post-kolonialistischen Gesellschaft üblich ist, die Demobilisierung des Volkskampfes, der zu ihr geführt hat. Die Leute wurden, um mit Frantz Fanon zu sprechen, in ihre Höhlen zurückgeschickt.

Die Demokratie, die sich oft als tägliche Praxis einfacher Menschen vorgestellt wird – die sie dort ausüben, wo sie leben, arbeiten und studieren – wurde größtenteils auf ein Spektakel reduziert, das vom Ritual der Wahlen legitimiert wird. Das heißt jetzt nicht, dass das Recht, in geheimer Wahl eine Regierung zu wählen, unwichtig ist. Aber wenn, wie es für die meisten Menschen gilt, die Teilnahme an der Demokratie prinzipielle auf Wahlen reduziert wird, werden im Namen des gesamten Volkes die Interessen der Elite systematisch bevorzugt.

Das geschieht mittels der Komplizenschaft zwischen verschiedenen elitären sozialen Kräften, darunter einem Großteil der AkademikerInnen, der Medien und der auf NGOs basierenden Zivilgesellschaft ebenso wie mittels eines Konsens, der quer durch die politischen Parteien geht und der technokratische Effizienz als die Lösung für das Versagen unserer Demokratie betrachtet, um die Hoffnung der Mehrheit anzursprechen. Aber wenn schwerwiegende politische Fragen von sozialer Gerechtigkeit lediglich als Fragen von Effizienz präsentiert werden, werden sie oft den einfachen Leuten aus der Hand genommen und an ExpertInnen übergeben.

Helen Zille und Jacob Zuma sind gleichermaßen AnhängerInnen dieses Eiltempos, mit dem die Diskussion über wichtige soziale Fragen aus der öffentlichen Sphäre verbannt werden soll. Wenn das gelingt, dann werden Versuche, politische Fragen zu stellen, wie: was macht ein Existenzminimum aus oder: sollen gewaltsame Entfernungen aus der städtischen Peripherie wirklich als ‚zur Verfügungstellen von Wohnraum’ betrachtet werden’ leicht als Sabotage an der ‚Entwicklung’, der ‚Lieferung’ oder den ‚nationalen Interessen’ dargestellt werden.

Wer meint, dass Berichte im Wall Street Journal oder der Financial Times über unsere Rückkehr zu den finsteren Zeiten abschreckender Angriffe auf unsere Presse einen internationalen Alarm zur Verteidigung unserer Demokratie auslösen werden, vergisst, dass Washington und London ganz glücklich darüber sind, mit autoritären Regimes zusammenarbeiten zu können, die ihnen dabei helfen, ihre Schatzkisten zu füllen und die ihre Interessen verteidigen. Und wenn ihnen dabei mulmig wird, wird es das Peking und Dubai nicht.

Die höheren Gerichte sind ein wichtiges Bollwerk gegen eine Regierung, die darauf abzielt, die liberale Demokratie zugunsten eines autoritäreren Kapitalismus alter Kumpane zurückzudrängen, aber sie sind nicht unantastbar oder, wie wir gesehen haben, immun gegenüber langsamer Eindämmung durch Machinationen von oben. Darüber hinaus kostet der Zugang zu ihnen, obwohl im Prinzip jedermensch gleichen Zugang zu den Gerichten hat, Geld und so sind sie in der Praxis den Eliten viel eher zugänglich als einfachen Menschen.

Einer der größten Mythen der Zeit nach dem Kalten Krieg war, dass die auf NGOs basierende Zivilgesellschaft automatisch eine demokratische Kraft darstellt, die den Willen des Volkes repräsentiert. NGOs leisten manchmal eine wichtige Arbeit, und manchmal sind sie wichtig mit ihrer Intervention in die öffentliche Sphäre, aber solange sie auf Mitgliedschaften basieren, können sie nicht als Ausdruck des Volkswillens betrachtet werden, der die Versuche von Menschen, sich selbst zu vertreten, ersetzt. Die auf NGOs basierende Zivilgesellschaft mag dabei erfolgreich sein, das Schlittern in eine autoritäre Gesellschaft zu verlangsamen, aber sie hat selbst nicht die politische Macht der Legitimierung durch das Volk, um erfolgreich die liberale Demokratie auf lange Sicht zu verteidigen.

Im manchen Kreisen glaubt mensch, dass die professionelle Linke außerhalb des ANC den wahren Geist dessen verkörpert, was im Kampf gegen die Apartheid das Vornehmste war. Es gibt Fälle, für das einigermaßen zutrifft. Aber der größte Teil der Linken ist mehr eine rivalisierende Elite als eine Volkskraft, die ihre begrenzte Macht aus Spenden bezieht anstatt aus Unterstützung seitens des Volkes. Oft ist sie in ihrer Orientierung eher technokratisch als demokratisch, und in manchen Fällen zeigt sie eine Tendenz zum Autoritarismus und zur Paranoia angesichts öffentlicher politischer Intervention, die mit der des ANC konkurriert.

Die Demokratie wird in Südafrika nur erfolgreich verteidigt werden, wenn einfache Menschen das selbe Recht wie alle anderen haben, wenn sie sowohl praktisch als auch prinzipiell die öffentliche Sphäre, die ihr Leben bestimmt, besitzen und mitgestalten. Aber viele der offiziellen Wahrer unserer liberalen Demokratie halten die Idee, dass arme Menschen das gleiche Recht auf die öffentliche Sphäre haben, für bedrohlich, fantastisch oder komisch. Ein Bericht über eine Debatte über Medienfreiheit an der Universität Johannesburg stellte unlängst fest, dass:

Der Sprecher des Komitees für Medienfreiheit im südafrikanischen nationalen Forum der (Medien-) Herausgeber, Thabo Leshilo, sagte, es gäbe eine überwältigende Oppostion gegenüber dem MAT (Berufungsgericht in Medienangelegenheiten), und mehr Unterstützung für Redefreiheit im Land. „Es gab Bedenken, nicht nur von den Medien, sondern von Abahlali baseMjondolo (eine Organisation von BarackenbewohnerInnen) und den Obdachlosen, die die Medien hierbei unterstützen“, sagte Leshilo unter viel Gelächter.

Wenn die TeilnehmerInnen bei einem Treffen über Medienfreiheit annehmen, dass die sorgfältig diskutierte Unterstützung einer Bewegung der Armen für Medienfreiheit komisch ist, dann verteidigen sie die Oligarchie, die Herrschaft der wenigen, und nicht die Demokratie, die Herrschaft des Volkes.

Es ist unvermeidbar, dass eine liberale Oligarchie, die die Sprache abstrakter Rechte spricht, letztendlich angesichts eines anhaltenden Angriffs seitens einer nationalistischen Oligarchie, die die Sprache der konkreten Interessen des Volkes spricht, zusammenbrechen wird. Die einzige Verteidigung der Demokratie, die eine realistische Chance auf Erfolg hat, ist diejenige, die echt demokratisch ist, und das bedeutet, dass sie vom und für das gesamte Volk sein muss.