Land ist eine politische Frage

http://akkrise.wordpress.com/2010/10/21/land-ist-eine-politische-frage/

Land ist eine politische Frage

Referat von S’bu Zikode vor der Development Action Group National Conference „Sich die Stadt wieder vorstellen: Eine neue städtische Ordnung“

Es ist sehr nett, sich die Stadt neu vorzustellen. Wir können damit beginnen, uns Städte vorzustellen mit guten Wohnbedingungen für alle und dann können wir uns einen leistbaren öffentlichen Transport vorstellen und sichere Straßen und schönen Bäumen, kühlen, schattigen Parks und einladenden Schulen, Kliniken, Büchereien und Sportklubs. Wir können uns wieder und wieder Städte vorstellen, in denen die Menschlichkeit einer/s jeden respektiert wird und wo alle zählen. Es ist wirklich schön, sich eine Stadt vorzustellen, in der niemand wie ein Schwein im Dreck leben muss, wo alle vor Feuern, vor Misshandlungen, Polizeirazzien, Strom-/Wasserabschaltungen, Räumungen und politischen Angriffen sicher sind.

Aber Land und Wohnraum sind die dringendsten Probleme in unseren Städten, und es gibt eine ernsthafte Schwierigkeit bei der Lösung des Punktes Land und Wohnraum in unserem Land. Land kommt vor Wohnen und diese Schwierigkeit taucht auf, wenn wir alle weiter behaupten, dass die Landfrage nicht politisch ist. Solange wir nicht akzeptieren, dass die Landfrage politisch ist, wird diese Schwierigkeit immer mehr Verwirrung stiften.

Die Frage bleibt sehr kompliziert, solange unser Land von PolitikerInnen verwaltet wird, die über den Kampf sprechen und darüber, für die Menschen da zu sein, während sie vorgeben, dass die Landfrage nicht politisch ist. Sie haben die Macht, ihre politischen Muskeln spielen zu lassen, um das Land den Enteigneten zurück zu geben, aber sie ziehen es vor, zu heucheln, dass die Landfrage nicht politisch ist. Wir wissen ganz genau, dass wir diese Enteigneten sind, und dass wir Gerechtigkeit brauchen. Aber die PolitikerInnen und ihre NGOs tun weiter so, als wären wir die IgnorantInnen, die sich in Geduld üben müssen und zur Kenntnis nehmen müssen, dass workshops zur Sicherheit von Feuer und Zwangsumsiedlungen in Transitlager, menschliche Abfallhaufen, echte Entwicklung sind.

Diejenigen, die heute an der Macht sind, haben die Macht, unser Land gerecht und reichlich an die zu verteilen, die kein Land haben. Warum haben sie uns heute betrogen? Die Antwort ist simpel: Würden sie das tun, so würden sie das aufgeben, was sie so mächtig macht.

Das Land zurücknehmen wird niemals einfach sein.

Das Land zurückzunehmen setzt voraus, dass wir die starken Armen werden und bleiben. Vor einem Jahr haben wir eine harte Lektion gelernt. Wir haben gelernt, dass Südafrika nicht wirklich eine Demokratie ist. Den Mittelklassen und sogar den arbeitenden Klassen steht es frei, die Zukunft unseres Landes zu diskutieren. Aber wir, als die Armen, wurden aus der Demokratie geräumt. Wir wurden angegriffen und aus unseren Häusern vertrieben, mit Hilfe der Polizei, während die PolitikerInnen zugesehen haben. Cosatu1 war stumm, und die Menschenrechtskommission blieb stumm. Wir haben gelernt, dass es viele Menschen gibt, die nicht glauben, dass Demokratie auch für die Armen ist.

Wir müssen diese Demokratie für die Armen zu einer Wirklichkeit machen. Deshalb brauchen wir Verbündete unter den Gruppen, die in Südafrika selbst denken und für sich selbst sprechen dürfen. Sie müssen ihre Freiheit und ihre Sicherheit einsetzen, um an unserer Seite zu stehen und uns zu verteidigen, während wir um unsere eigene Freiheit kämpfen. Unsere Organisationen und Bewegungen müssen eine lebendige Solidarität mit fortschrittlichen Organisationen, Gewerkschaften, ExpertInnen auf allen besonderen Gebieten, Individuen und aktiven BürgerInnen im allgemeinen schmieden. Wir müssen eine mächtige, landesweite Allianz für städtische Reformen schaffen, die jederzeit bereit ist, das Recht der Armen, selbst zu denken, zu sprechen und sich selbst zu organisieren, verteidigt. Diese Allianz muss politisch sein und willens, den Staat und die Reichen dazu zu zwingen, dem Volk zu gehorchen. Es muss klar sein, dass der soziale Wert von Land vor seinem geschäftlichen Wert kommt. Sie muss willens sein, echte Aktionen zu setzen, um das durchzusetzen. Deshalb muss sie unabhängig vom Staat sein. In unserer Analyse „Slum Dwellers International“2 gibt es einen Ansatz von oben herab, vom Staat und den Reichen, um die Armen zu kontrollieren, indem sie uns eintrichtern, dass wir unsere Unterdrückung zu akzeptieren hätten.

Einige von uns haben bereits die Reise zu einer neuen städtischen Ordnung angetreten, nicht nur, indem sie in kühlen Büros sitzen, sondern indem sie in den communities schwitzen, in denen wir fleissig am Organisieren sind, Bewusstsein schaffen und sich selbst vermitteln, während wir organisieren und selbst organisiert werden durch öffentliche Selbstbildung, Treffen, Lager und Proteste. Einige von uns haben bereits unsere Häuser in unserem Geburtsland verloren, als Strafe für unseren Kampf um Zugang zu gut gelegenem Land. Uns ist sehr klar geworden, dass gut gelegenes Land uns niemals per Flugzeug zugestellt werden wird, sondern durch Schweiß, Schläge, Verhaftungen, und Lügen, Wasserwerfer, Gummigeschosse und scharfe Munition oder sogar den Tod. Das ist der Preis, den zu zahlen die, die ernsthaft eine Neue Städtische Ordnung möchten, bereit sein müssen.

Mensch kann keine ernsthafte Diskussion über die städtische Krise beginnen, während die Armen weiterhin von den Konversationen, die darauf abzielen, eine wirklich neue städtische Ordnung, die für alle da ist, aufzubauen, ausgeschlossen bleiben. Diese Diskussionen erst beginnen, wenn die Enteigneten, diejenigen, die nicht zählen, etwas zählen. Vor langer Zeit haben wir beschlossen, die Situation, dass einige Leute über die Armen sprechen, und sogar für die Armen sprechen, ohne jemals mit den Armen gesprochen zu haben, nicht mehr zu akzeptieren. Wir haben auch einen Preis bezahlt für diese Entscheidung, aber wir werden immer an ihr festhalten.

Zweifellos ist die Arbeit der Intellektuellen, der StadtplanerInnen, IngenieurInnen, ArchitektInnen und anderer Professionisten kritisch. Wir brauchen ihr Können. Aber solange sie bei sich selbst bleiben, ist ihr Wissen sehr fragil. Wir müssen unsere Städte gemeinsam planen. Ich bin weiterhin überzeugt davon, dass wenn die ganze Arbeit der städtischen ExpertInnen isoliert von den Armen geschieht, von diejenigen, die von ihr profitieren sollen, dass das das Problem nicht lösen wird. Das erste Problem ist, dass trotz all ihrer Ausbildung die ExperInnen oft echt ignorant sind gegenüber den wirklichen Bedürfnissen der Leute. Das zweite Problem ist, dass die Ideen von ExperInnen, selbst gute Ideen, die den Bedürfnissen der Leute entsprechen, selbst keine Macht haben. Eine Idee kann erst dann in die Welt treten und die Welt verändern, wenn hinter ihr eine lebendige Kraft steht. Eine Idee, die von den organisierten Armen gemeinsam mit den städtischen ExpertInnen ausgearbeitet wird, wird eine lebendige Kraft hinter sich haben, sobald die organisierten Armen sie als ihre eigene akzeptieren.

Die Frage von Land und Planung ist zu politisch, viel mehr politisch, als sie von vielen von uns begriffen wird. Sie ist allzu politisch, und trotzdem geben der Staat und die gefühllosen BeraterInnen vor, dass es sich bloß um eine geo-technische Machbarkeit handelt, die bestimmt, was gebaut wird, wo und wann. Das ist in vielen communities in Abahlali baseMjondolo-Siedlungen offensichtlich geworden. Leute haben gut gelegenes Land entdeckt und dieses Land selbst besetzt. Aber immer wieder, dass das, was den Armen als gut gelegenes Land erscheint, es für den Staat und die BeraterInnen nicht ist, und was ihnen gut gelegenes Land scheint, ist es für die Armen nicht. In der Siedlung Kennedy Road hat die Gemeinde immer technische Berichte verwendet, um Räumungen zu rechtfertigen. Ihre Berichte haben immer ausgesagt, dass das Land nicht gut sei für menschliches Wohnen, während unsere MittelklassenachbarInnen über der Straße ihren Aufenthalt genießen. Alles, was wir brauchen, ist Landbesitz, Infrastruktur und dann eine Verbesserung. In Protea South und Thembalihle in Johannesburg heißt es, das Land, dass die Armen entdeckt und für sich selbst besetzt haben, zu gut für sie ist. Aber das ist nicht gesagt. Dolomit ist das einzige schreckliche Biest, das eingesetzt werden kann, um zu erschrecken und Räumungen zu rechtfertigen.3

In seiner Rede an die Nation hat Msholozi selbst seine Regierung darauf verpflichtet, mehr als 6.000 Hektar gut gelegenes Land für die Armen zu erwerben. Dieses Versprechen kam als Antwort auf den Kampf der Armen in den Städten im ganzen Land. Wenn der Staat dabei versagt, dieses Land zu erwerben und zu verteilen, dann wird es offensichtlich nichts geben, das die Leute davon abhalten kann, selbst solch gut gelegenes Land zu entdecken und zu besetzen. Wir unterstützen eine derartige Bewegung voll und ganz. Wenn die Allianzen, die wir mit den Kirchen, Gewerkschaften, den Intellektuellen und den städtischen ExperInnen aufbauen wollen, uns dabei unterstützen, dann werden wir wissen, dass sie wirklich auf unserer Seite sind. Denn solange im Dreck und den Feuern leben und sterben müssen, ist jede Politik des Ruhigbleibens bloß ein anderer Name für Unterdrückung.

Aber der Punkt von Msholozi’s Versprechen ist nicht nur die Frage, ob er 6.000 Hektar erworben und verteilt hat. Es gibt auch die Frage, wer entscheidet, was gut gelegenes Land ist und was nicht. Land sollte nicht nur dann als gut gelegen betrachtet werden, wenn der Staat es so bezeichnet. Die Armen haben ein Recht darauf, Land als für sie gut gelegen zu definieren. Wenn unsere Städte gerechte Städte werden sollen, dann müssen wir als Arme uns stärker machen, durch weitere Organisierung und Mobilisierung. Wir werden die ganze Courage brauchen, die bei den Besetzungen von Symphony Way und Macassar Village hier in Kapstadt gezeigt worden ist. Unsere Städte brauchen eine starke Führung durch die Armen mit einem echten Bewusstsein darüber, dass die Landfrage eine fragile Frage bleibt. Organisierung, Mobilisierung, aktive BürgerInnenbeteiligung und ein klares politisches Bewusstsein werden eine demokratische Rebellion ermöglichen, die den Willen des Volkes gegenüber dem Willen der wenigen, die unsere Städte bauen, durchsetzt. Die Übergabe von Land an die Armen und sogar an die arbeitenden Klassen benötigt radikale Aktion. Sie benötigt eine Aktion minimalen Transktionen. All diese Formalitäten und Protokolle zielen auf die Reichen und gegen die Armen ab und haben deshalb viele Informalitäten hervorgebracht, was zur Schaffung von informellen Siedlungen geführt hat.

Unsere neue städtische Ordnung kann nur verwirklicht werden, wenn das Land, das bereits von den Armen besetzt wurde, ihnen mit der vollen Sicherheit von Landtiteln übergeben wird. Wenn nicht mehr Land für diejenigen verfügbar gemacht wird, die noch immer nicht in gut gelegenen Gegenden leben, dann können die Armen selbst neues Land finden. Der Staat hat eine Pflicht, in unsere communities zu investieren und unsere Besetzungen zu unterstützen, indem er die Infrastruktur aufbaut und aufrecht erhält, lange ehe er auch nur daran denkt, subventionierte Wohnprojekte zu errichten. Landbesitz muss zuerst kommen, dann die Dienstleistungen und die Infrastruktur und dann (erst) die Wohnprojekte.

Der Trend zur Stadterweiterung in unseren Städten zeigt, dass wir in naher Zukunft nicht genug Land haben werden. In diesem Fall könnte es die Überlegung wert sein, an verdichtete Entwicklungsprojekte und dezentralisierten Zugang zu allen sozio-ökonomischen Annehmlichkeiten zu denken, auf dass eine neue Planung beginnt. Aber ohne faire Debatten und offne Räume für solche Unterhaltungen aller und auf allen Ebenen wird daraus nichts werden, und falls doch, so wird es nicht in einer gerechten Weise errreicht werden.

Unser Kamp und jeder echte Kampf besteht darin, den Menschen in das Zentrum unserer Gesellschaft zu stellen, und mit den Enteignetsten zu beginnen, und das sind die Obdachlosen. Das Wegwaschen des politischen Diskurses und das Umdeuten der fragilen politischen Landfrage in eine komplizierte technische Frage wird niemand von uns helfen. Die Organisierung der Armen, die in unseren verärgerten Räumen stattfindet, ist für jede Veränderung äußerst wichtig. Und in diesen Diskussionen der Armen, die marginalisiert sind, weil sie in unserer Gesellschaft nicht zählen, liegen einige der entscheidenden Antworten, die die meisten von uns nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Anstatt das Übel zu benennen, das aus der Armut kommt, werden die Armen selbst angemacht. Die Opfer eines üblen Systems stellen fest, dass sie selbst als üble Typen präsentiert werden. Der Staat und diejenigen, die weiterhin auf Kosten der Armen im Luxus leben, betrachten die Forderungen der Armen als illegitim und grundlos. Tatsächlich sind unsere Forderungen die legitimsten von allen in unserer Gesellschaft, und die begründetsten, denn wir leben unter den schlimmsten Bedingungen. Die Forderungen derjenigen mit dem meisten Geld und der größten Macht sind die am wenigsten legitimierten. Die Logik ebenso wie die Gerechtigkeit sind auf Seiten unseres Kampfes, den Willen der vielen gegen den Willen der wenigen durchzusetzen, was der einzige Weg ist, unsere Vorstellungen einer neuen städtischen Ordnung zu verwirklichen.

Ich danke Ihnen allen.

Fussnoten:

1) Gewerkschafts-Dachverband von Südafrika

2) SlumbewohnerInnen international

3) „Zum einen ist Dolomit die Sorte Fels, die rund um Johannesburg üblich ist. Es ist nicht sicher, auf Dolomit zu leben, denn es kann zu Einbrüchen des Felsbodens kommen. Aber das Vorkommen von Dolomit wird oft als Vorwand für Räumungen genommen – als ein technischer Grund und ‚im Interesse der Sicherheit’. Manchmal werden Menschen ‚im Namen von Dolomit’ geräumt und stellen danach fest, dass später an derselben Stelle ein Einkaufszentrum errichtet wird.“ Erklärung von südafrikanischen GenossInnen auf unsere Anfrage, was dieser Satz zu bedeuten hat.