3 June 2013
Neues Deutchland: Der ANC macht eine Politik gegen die Armen
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Der ANC macht eine Politik gegen die Armen
Stadtteilaktivist Jerome Ngongoma aus Durban über Selbstorganisierung in Südafrika Jerome Ngongoma ist Vorstandsmitglied der Stadtteilinitiative »Abahlali baseMjondolo« (Bewegung der Wellblechhausbewohner) in Durban in Südafrika. Er ist an der Vorbereitung einer Armutskonferenz beteiligt. Über die soziale Lage in Südafrika sprach mit ihm Peter Nowak.
nd: Was ist der Schwerpunkt der Arbeit Ihrer Stadtteilinitiative?
Ngongoma: Wir bereiten zurzeit den Gipfel der Armen für Oktober vor. Dabei handelt es sich um eine Armutskonferenz, die von den betroffenen Menschen selbst organisiert wird.
Knüpft die Armutskonferenz an die regionale Weltsozialforen an, die auch in Südafrika tagten?
Nein, denn die Sozialforen waren weitgehend eine Mittelstandsveranstaltung und haben aus diesem Grunde das Leben der armen Menschen nicht verbessert. Bei der Armutskonferenz hingegen sollen die Betroffenen selbst über die Themen entscheiden, die es dort zu diskutieren gilt.
Welche Rolle spielt der Kampf um menschenwürdigen Wohnraum?
Das ist der zweite zentrale Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir unterstützen 38 Familien, die bereits 2007 zwangsgeräumt wurden. Ihre Hütten wurden für ein Wohnungsbauprojekt abgerissen. Sie leben noch immer in einem Übergangswohnheim unter unzumutbaren Bedingungen ohne Wasser und Strom. Dabei wurde ihnen von der ANC-Verwaltung versprochen, dass sie in neue Häuser ziehen können. Wir haben die Familien vor Gericht vertreten. Dort wurde ihr Recht auf ein Haus bestätigt. Dafür kämpfen wir jetzt.
Wie ist Ihr Verhältnis zum ANC?
Die meisten unserer Mitglieder haben den ANC wegen seiner Rolle im Kampf gegen die Apartheid unterstützt. Aber wir haben schnell gemerkt, dass er eine Politik gegen die Armen macht. Wir sind heute von sämtlichen Parteien unabhängig. Denn wir sind der Überzeugung, dass eine gesellschaftliche Veränderung nur durch Selbstorganisierung von unten und nicht durch Mitarbeit in den staatlichen Institutionen erreicht werden kann.
Welche Bedeutung hat das Massaker von Marikana Mitte August an den streikenden Bergarbeitern für Ihre Arbeit?
Es hat einen Aufschrei der Empörung im ganzen Land gegeben. Vergleiche mit der Repression während der Apartheid wurden gezogen. Wir waren davon nicht überrascht, weil wir seit Jahren erleben, wie die Regierung gegen die Armen vorgeht, wenn sie sich selbst organisieren und den vom ANC vorgegebenen Rahmen verlassen. Wir haben diese Gewalt selbst schon erfahren.
Wie ist man gegen Sie vorgegangen?
2009 wurden Aktivisten unserer Organisation überfallen und ihre Häuser zerstört. Es gab Tote und Verletzte. Offiziell erklärt die Regierung, sie habe mit dem Überfall nichts zu tun. Man wisse nicht, wer verantwortlich ist. Wir haben selbst recherchiert und dadurch erfahren, dass der ANC hinter dem Überfall steckt. Man wollte uns einschüchtern und unsere Arbeit erschweren. Vor dem Überfall hatten wir 10 000, danach knapp 5000 aktive Mitglieder. Viele Menschen hatten Angst und haben sich aus der Stadtteilarbeit zurückgezogen. In letzter Zeit beteiligen sich viele von ihnen wieder an unseren Aktionen.
Immer wieder machten in Südafrika auch rassistische Überfälle auf Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Ländern Schlagzeilen. Wie gehen Sie damit um?
Wir haben damals sofort erklärt, dass es sich um kriminelle Aktionen handelt. Zudem klären wir die Menschen darüber auf, dass die Migranten niemandem die Arbeitsplätze wegnehmen. Diese Aktionen fanden überall dort statt, wo es keine starke Stadtteilorganisierung gibt. In der Kennedy-Road-Siedlung, wo wir stark vertreten sind, gab es keine Überfälle.